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Der dritte Tag in der Natur bricht wieder zum Sonnenaufgang mit dem Wecker um 7:00 Uhr an. Da wir nicht wissen wie wir vorankommen werden, wollen wir so früh wie möglich los.
Gegen 10:15 ziehen wir dann los. Es bleibt weiterhin schön kalt, das Quecksilber bzw. der Alkohol in dem Thermometer bewegt sich weiter zwischen -15°C und -25°C. Solange man in Bewegung ist und mit Mützen, Handschuhe, Schals und Reißverschlüssen spielt ist die Welt in Ordnung, sprich ziemlich angenehm temperiert, Pausen brauchen gar nicht so lang sein.
Das Problem mit der „neuen“ Brücke löst sich im Fluge, der Weg ist gut vorbereitet und gesichert und so sind wir schwer schnaufend mit Sack und Pack nach 1,5 Stunden an unserem gestrigen Wendepunkt angekommen und ruhen kurz aus. Stephan und Uwe haben satt eingekauft und neben allerlei speziellen schwedischen Süßigkeiten gibt es Nüsse und Schokolade, Elchsalami und getrocknetes und geräuchertes Rentierfleisch. Genau das richtige.
Da unser Wendepunkt lediglich in den oberen Ausläufern des Nadelwaldes und noch nicht ganz oben im Kalfjäll ist, entscheiden wir uns wieder für die Variante vorab Spuren ohne Gepäck zu ziehen. Als wir den Fjäll erreichen stockt mir der Atem. Immer wieder heißt es anhalten, Kamera raus, Bilder machen, Finger auftauen… Ich wünsche mir eine richtige Kamera, aber bei dem Licht schafft jede noch so einfache Knipse herrliche Bilder zu machen.
Wir sind jetzt bei gut 900 m und laufen an der Höhenlinie entlang solange es geht. Am Horizont ziehen langsam Wolken auf. Auf meine Frage was denn die Wolken bedeuten würden beruhigt mich Stephan mit der Aussage: „Das bedeutet, dass Wolken aufziehen!!“ Na dann kann ja nix passierenJ. Irgendwann geht es nicht mehr so recht weiter, ein kleiner Canyon oder Graben versperrt den Weg, zum Herumlaufen zu lang, zum Durchlaufen zu steil.
Die Lösung ist einfach, Pulkas ab und vorrodeln lassen, wir rutschen unterschiedlich elegant hinterher. Die Pulka der Mädels kommt unbestritten am weitesten, diesen Wettkampf haben sie gewonnen, über die B-Noten des menschlichen Rodelns bewahrt der Autor Stillschweigen.
Langsam endet unser Wandertag, unsere Guides haben ein kleines Tal mit Birken und einem Flüsschen als Coldcamp ausgewählt. Stephan steckt seinen großen Zeh in den Fluss um die Temperatur zu fühlen, dummerweise sind Strümpfe, Schuhe und Schneeschuh zu diesem Zeitpunkt noch dran. (Anm. d. Red.: Er übersteht die Tour mit allen Zehen.) Mein Job ist heute Wasser kochen und essen machen. Ersteres hat heute einen recht hohen organischen Anteil, da das Flüsschen hier das Moorgebiet drainiert auf dem wir campen.
Durch den weichen Boden und den weiterhin staubfeinen Schnee haben die anderen ihre wahre Freude am Zeltaufbau. Meine Freude besteht darin die Nudeln von gestern aufzutauen. Mit dem einen Klumpen geht das noch recht gut, der andere bringt mich zur Verzweiflung. 500 g bei -20°C tiefgefrorene und mit Plastiktüte durchsetzte Nudeln sind echt Sch…, ich gebe irgendwann auf. Das gestern vorbereitete Chilli con Carne mit dem restlichen Renskav und dem anderen Nudelklumpen müssen reichen. Zwischenzeitlich hat Stephan unser Klo eingerichtet und das Besetztschild durch eine ausgefeilte Strategie ersetzt. Mal aus dem Nähkästchen geplaudert: Ich hatte noch nie ein Klo mit einer dermaßen umwerfenden Aussicht. Wir werden sie alle noch mehrfach bewundern, mit und ohne Druck. Heute sind wir etwa 8 km gelaufen und haben wieder gut 500 m hoch und durch das hin und her am Anfang auch 200 m runter geschafft. Die Nacht lullt uns ein und wir verkriechen uns in den Schlafsäcken.