Cinque Torri, oder die Fuchsattacke am Seekofel
Dirk und der Berichterstatter hatten sich in der ersten Septemberwoche zu einer Fahrt in die Dolomiten verabredet. Wir wollten mal ein paar längere Routen klettern als es sonst in Sachsen möglich ist. Nach Ankunft am Sonnabend, etwas gestresst vom Brenner-Stau, ging es nach Zeltaufbau in Corvara erstmal zur örtlichen Pizzaria. Nach dem zweiten Forster Bier war die Welt wieder in Ordnung. Das Wetter war viel besser als in den Vorhersagen angedroht. Der Sonntag machte dann seinem Namen alle Ehre. Es ging zum ersten Sellaturm, zur Westkante (4), mit 7 Seillängen ein moderater Anfang. Wir wollten mal testen, ob die Kletterzeiten aus dem Kletterführer auch für uns Flachländer gelten. Nach etwas über 2 h standen wir nach einer schönen, teilweise luftigen Kletterei, auf dem Gipfel des Turmes (lt. Führer 2-3 h). Aha, die Zeiten sind zu schaffen. Zeitig waren wir wieder auf dem Zeltplatz, bestes Wetter, allerbeste Stimmung - wir hatten doch alles im Griff!
Montag "mußten" also ein paar Seillängen mehr her. Die Große Cir-Spitze sollte es sein, die Südwestkante "Via Demetz" (5), nicht weit entfernt, direkt am Grödner Joch. Der Zustieg war klar, wir mußten eine große Schuttrinne hoch. Diese war auch deutlich beim Anmarsch zu sehen. Dummerweise entschieden wir uns, nicht direkt zur Schuttrinne aufzusteigen (so steil am frühen Morgen!) sondern auf dem Wanderweg etwas nach rechts zu queren und dann am Wandfuß zurückzulaufen. Als wir dann einen Schuttkegel betraten, sahen wir rechts über uns eine Seilschaft am Einstieg. Aha, also dort hoch müssen wir! Nun ja, damit hatten wir uns für den falschen Einstieg entschieden, wir standen Stunden später auf einem anderen Gipfel (Clark-Spitze) und Dirk als Vorsteiger wunderte sich die ganzen Tag, warum sein Topo nicht stimmte. An krassesten war der Unterschied zu unserem Topo bezüglich des Gratturmes (...Abseile 15m in die Scharte). Wir mußten aber ca. 80m abseilen. Und standen dann ca. 50m unterhalb der genannten Scharte. Nun wußten wir endlich, wo wir sind, also mußten wir auf der anderen Seite der Scharte rauf zum Gratturm klettern. Hier angelangt verschwanden dann die Sonne und auch unsere Motivation, außerdem wurde es kalt und windig. Wir waren auch zugegebenermaßen etwas verunsichert. Also sind wir abgeseilt, dies ging nur auf der für uns falschen Seite des Gipfels. Nach 1 Stunde und einer Runde um den Berg waren wir wieder am Einstieg. Es fiel uns wie Schuppen aus den Augen, na klar, wir waren eine Rinne zu zeitig eingestiegen, hatten uns von der Seilschaft über uns irritieren lassen. Für uns müßte der Weg, zumindestens der Zustieg,"Via Demenz" heißen.
Am Dienstag sollte alles besser werden. Wir fuhren zum Zweiten Sellaturm, Nordwestkante (4+) mit 11 Seillängen. Da kannten wir uns ja aus! Wieder herrscht strahlend blauer Himmel. Was sollte also passieren? Auch hier erwischten wir den falschen Einstieg und irrten (immer aufwärts) durch die Wand, mit einem leichten Rechtsdrall. Es waren auch mal Haken im Fels, doch nach fünf oder sechs Seillängen kletterten wir in der Sonne, da waren wir definitiv auf der falschen Route. Die siebente oder achte Seillänge (35m) war auch deutlich schwerer als 4+ (ich schätze eine sächsische VIIa bis VIIb anhaltend auf ca. 30m). Danach konnten wir über ein Band zur Kostner-Verschneidung queren. So kamen wir über eine prima Verschneidungskletterei (4-) relativ rasch doch noch auf den Gipfel. Der Tag war gerettet!
Wir hatten im Vorfeld die Kletterei in einer oder zwei klassischen Routen geplant (Schleierkante in der Pala), doch auf dem Zeltplatz gefiel es uns so gut, dass wir bleiben wollten und uns Routen in der Nähe suchten. Wir zelteten direkt am Fuße des Boeseekofels. Was lag also näher, diesen auch zu besteigen? Zu Fuß und mit der Seilbahn kamen wir ohne Anstregung in die Nähe des Einstieges der geplanten Route (Südwand Dorigati/Ciambisi, 5+, 8 Seillängen). Hier durften wir nicht verkehrt einstiegen, denn der größte Teil des Gipfels hatten ein breites gelbes Dach, da führte kein Weg durch. Wir suchten auch sorgfältig, als dann klar war, wo der Einstieg war, hatten wir es schon 13.30 Uhr auf der Uhr. Jetzt noch einsteigen? Das wäre knapp geworden mit dem Licht, wir hätten nach erreichen des Gipfels noch 2-3 Stunden bis ins Tal laufen müssen (Stirnlampen lagen natürlich im Zelt). Richtigerweise entschieden wir uns für Bierpause an der Hütte und Dirk für einen Badetag in einem kleinem Bergsee. Was für ein Ereignis. Eine Stunde später am Kiosk, 500 m tiefer, sprachen uns noch Schwaben auf Dirks "Heldentat" an. Am nächsten Tag fuhren wir mit der ersten Bahn Richtung Einstieg, standen 9.30 Uhr an der richtigen Stelle! Los gings. Ein schöne Kletterei, gut abzusichern, die Routensuche wegen zweier Quergänge etwas schwierig, das hat Dirk aber super hingekriegt. Zwei Österreicher holten uns zwischenzeitlich mal kurz ein, büßten bei der zweiten Querung aber soviel Zeit ein, dass wir die beiden am Ausstieg nicht mehr gesehen haben. Eine tolle Route mit toller Aussicht vom Gipfel. Am letzten Tag sollte es noch etwas einfaches kurzes sein, die "Westwand" 4-, am Großen Falzaregoturm, mit dem Auto auch schnell zu erreichen (25 min). Wer noch voll motiviert ist, sollte gleich in die "Südkante" 4+ des Kleinen Falzaregoturmes einsteigen und von dort 2 x zum Einstieg der Westwand abseilen, da entfällt das Gelatsche durch die Schrofen und man klettert zusätzlich eine prima Kante. Die Westwand war dann wie für mich Blinden gemacht, überall rote Linien zur Routenführung und massenhaft Haken. Beide Türme kann man innerhalb von ca. 3 Stunden besteigen, wenn wie bei uns, kein Stau an der Südkante ist.
In der letzten Nacht kam noch mal das Füchslein am Zelt zur Kontrolle vorbeigeschnürt, um zu prüfen, ob die Müllentsorgung klappt. Ein paar Tage zuvor hatten wir die letzten beiden von Tinis weltberühmten Buletten entsorgt, waren aber zu faul, die 300m bis zur Mülltonne zu laufen. Am Morgen haben wir uns gegenseitig verdächtigt, "heimlich" Müll wegzuschaffen. Einen Tag später hatten wir nur ein paar Biedeckel in unserer Mülltüte, diese hat Dirk am Zelt festgebunden, was nachts zu einer Attacke auf die Tüte durch den Fuchs führte. Da war dann leider nix zu holen dafür wurde aber das Zelt ordentlich durchgeschüttelt.
Wir haben 5 Türme (Cinque Torri) bestiegen und einen Tag lang die Seile in der Botanik spazieren getragen. Ein schöne Woche war leider viel zu schnell zu Ende. Na gut, meine Füße haben sich gefreut. Für breit gelatschte Läuferfüße sind 5 Stunden in Kletterschuhen schon anstrengend. Das Wetter war traumhaft., die Gegend sowieso. Dirks Eierföhn sagte einmal: "in 6 min regnet es", Blick zum Himmel - fast komplett blau (der Himmel)! Auch Eierföhne täuschen sich mal. Steffen
P.S. Erster Bericht seit langem, in dem nicht gekocht wird! Grüße an L+P :-)
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