Von Zwergentod, Zwergenaufstand und anderen Größenproblemen
Eine Woche Elbsandsteingebirge mit 4 Familien, Kindern in allen Altersgruppen und auch sonst gemischten Interessen macht bei guter Organisation, langfristigen Absprachen mit den Ehefrauen und beständigem Wetter 2,5 Klettertage und einen Höhlentag.
Unser Domizil befand sich – wie in den letzten Jahren auch – am Elbufer zwischen Festung und Lilienstein. Nach dem es bisher aus verschiedenen Gründe nicht geklappt hatte, sollte sie in diesem Jahr endlich fallen: die Liliensteinnadel.
Und so kam es, dass die gemeinsame Wanderung am ersten Nachmittag
eine große Gruppe mit vielen Kindern auf den Lilienstein und eine kleine Gruppe aus drei Herren an den Einstieg der namensverwanden Nadel führte. Kurz vor Abreise hatte ein Blick auf Teufelsturm.de einen neuen Weg offenbart: Relax. Eine gängige VIIa sollte das sein, mit den Hauptschwierigkeiten genau an den beiden Ringen, so dass diese gut gesichert überwunden werden könnten, so hieß es in den Kommentaren. Am Wandfuß hatten wir Plan A & B schnell gefasst. Bei der Umsetzung von Plan A erwies sich, dass die Größenangabe des Erstbegehers hin- und wieder eine nützliche Zusatzinformation bereitstellen würde. So sehr sich Roland im Vorstieg auch reckte und streckte, die Hauptschwierigkeiten von Relax mussten für uns als ungesichert gelten. Plan B sah in diesem Fall das Ausweichen in den Talweg (V) vor. Dann lag aber eine andere logische Linie zum Gipfel näher. Mit Nachholen an einem Felsblock gelangten wir über sichtbar begangene Tritte durch überwiegend IIIer Gelände alle zum Gipfel der Nadel – nicht ohne, dass sich die Nachsteiger den Spaß machten, den unerreichbaren Ring kurz anzutippen. Manchmal ist es eben doch eine Frage der Größe und nicht der Technik.
Die Hauptschwierigkeit lag für uns dann letztlich darin, den richtigen Weg ins Gipfelbuch einzutragen. Kurz, aber nicht ernsthaft spekulierten wir über eine Erstbegehung, da sich „unser" Weg im Kletterführer
nicht identifizieren ließ, wahrscheinlich sind wir aber einfach nur ein Best-Of aller Wege an den Süd- und Nordwest-Ecken geklettert.
Der nächste Klettertag trug nicht ohne Grund den Arbeitstitel „Kinderklettern" und führte unsere große Gruppe an den Gohrisch. Übereinstimmungen des Reiseziels mit offenen Gipfeln in der persönlichen
Statistik der Organisatoren ergaben sich natürlich rein zufällig. Zunächst wurden Material, Sicherungstechnik und persönliches Können aller an der Narrenkappe einem ersten Test unterzogen. Die Nordostseite bietet mit AW (I), Nordostrippe (II) und Nordostwand (III) drei Wege, die sich wegen der Übersichtlichkeit des Geländes, der moderaten Höhe und den guten Kommunikationsmöglichkeiten für den Einstieg mit Kindern sehr gut eignen. Außerdem ist an der Abseilöse unter dem Gipfelkopf genügend Platz für große Seilschaften.
Frisch Gelerntes konnte nun am Nachbargipfel gefestigt werden. Das Fels- und Gipfelführerstudium vor Ort ergaben, dass sich der AW (III) verlängern lässt, wenn man auf der Talseite den Zwergenaufstand (IV) probt. Damit verlängert sich der Weg mit rund 30 Metern auf Länge, die man dem Gipfel dem Namen nach gar nicht zugetraut hätte. Der Einstieg ist dann schon etwas anspruchsvoller, aber mit IV fair bewertet und war letztlich durch alle Mitglieder unserer Seilschaft zu lösen. Nur die Jüngste ist mit ihren 7 Jahren
am Absatz des AW gestartet. Durch die Länge des Weges, die mangelnde Einsehbarkeit von oben, erschwerte Kommunikation, wenig Platz auf dem Gipfelkopf und eine „frei schwebende" Abseile in die Scharte ist der Zwerg aber schon das Maximum dessen, was man sich mit vielen und nicht regelmäßig
kletternden Kindern zutrauen kann. Wenigstens ein zweiter Erwachsener als „Bodenpersonal" ist hier unabdingbar.
Die Größe unserer jungen Seilschaft und die Kürze der Herbsttage brachte es dann mit sich, dass bei Einsetzen der Dämmerung weitere Gipfelziele für diesen Tag aufgegeben werden mussten.
Um für ausreichend Abwechslung und genügend Abendteuer für die Kinder zu sorgen, war als nächstes ein Höhlen-Tag eingeplant – ironischer Weise bei bestem Spätsommerwetter. Unsere Wanderung führt uns von Königstein hinauf zum Quirl. Durch unsere Befahrung im letzten Jahr mussten wir diesmal das Mundloch der Biwakhöhle (S2) nicht lange suchen. Spaß im Kriechgang gab's vor allem für die Kinder. Während nicht alle Erwachsenen das Bedürfnis verspürten, sich in den Einstieg zu falten, kann ich jetzt wenigsten den
bereits gebuchten Rebirthing-Kurs wieder absagen. Auch hier ist es eine Frage der Größe, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Nach dem glitzernden Hauptraum der Biwakhöhle, konnte die Baumannhöhle kein Highlight mehr setzen. Dramaturgisch richtig sollte man die Befahrung in umgekehrter Reihenfolge planen.
Der letzte Tag vor Ort sollte dann ein reiner Männertag werden. Verglichen mit dem Tag am Gohrisch war unsere Seilschaft auf Drittel-Größe geschrumpft. Auch wenn wir als 4er-Team noch immer nicht so behände unterwegs sein konnten, verknüpften wir mit unserem frühen Start doch die Hoffnung auf mehrere Gipfel. Der Weg führte uns nach Rathen an die Gipfelgruppe rund um die Feldköpfe. Zunächst umrundeten wir dort die Feldwand fast komplett, bevor wir uns als Tagesauftakt für den Nordostweg (III) entschieden. Anschließend wollten wir den dortigen Felsnachbarn auf die namensgebenden Köpfe steigen.
Noch nicht sofort eingeplant war der Türkenkopf jedoch wider Erwarten kaum belagert. Nur eine weitere Seilschaft war zu Gange und holte bereits an der Südwand nach. Die Verlockungen des **-Weges waren groß, die Gelegenheit erschien günstig, nach kurzem Warten sollte es losgehen. Weil die beiden Kletterfreunde vor uns jedoch eine sehr bedächtig agierende Freundin in ihre Seilmitte genommen hatten, blieb uns mehr Zeit als gedacht für intensives Topoführerstudium. Hier stießen wir darauf, dass Jürgen
Schmeißer ein eigenes Symbol für unser Größenproblem vom ersten Tag aufgenommen und es – mit dem ihm offenbar eigenen Humor – auch mit einem ebenso drastischen wie bildlichen Namen versehen hat: Zwergentod.
Dies sollte aber unser Problem an der Südwand (V) nicht sein, in die wir nun endlich einsteigen konnten. Mit Schlingen und Knoten passabel gesichert gelangt Roland zum ersten Ring. Als ich diesen als erster Nachsteiger ebenfalls erreichte, begann – und wie man zugeben muss durch aus im Einklang mit den Wetterprognosen – ein schwacher Regen. Nach kurzem Warten seilten wir verdrossen ab. Noch größer war die Enttäuschung für die beiden, die hier noch gar nicht zum Klettern gekommen waren. Doch kurz darauf hörte der Niesel wieder auf. Südausrichtung und Wind ließen hoffen und als es später noch einmal aufklarte, wagten wir den zweiten Einstieg in die getrocknete Wand. Vom ersten Versuch kannten wir das Platzangebot am ersten Ring und entschieden uns, schnell und zu viert bis zu dieser Stelle zu klettern. Von dort ging es dann in der gleichen Reihenfolge weiter, so dass wir alle glücklich den Gipfel erreichten. Nur mir als Seilletztem verlangte die Querung nach dem Ring und die Ausstiegsrinne auf Reibungstritten etwas mehr Moral ab, da zwischenzeitlich der nun heftiger einsetzende Regen den Reibungskoeffizienten herabgesetzt hatte.
So kam es, dass am Nachmittag dieses Tages nur 2 weitere Gipfel der persönlichen Statistik hinzugefügt werden konnten. Dies hat jedoch die Freude an dem herausragend schönen Klassiker kaum geschmälert. Vergleichsweise gut gesichert geht es hier über weitgehend gängiges Gelände rund 60 Meter in Höhe. Für V sind alle Züge gut machbar. So sieht Genussklettern in der Sächsischen Schweiz aus!
(Lars) (Mehr Bilder in der Galerie!)