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Neulich im Bahratal oder die vergebene Chance

Bahratalromantik

 

Ich bin bisher nur Nachsteiger. Für meinen ersten Vorstieg hatte ich mir schon was Besonderes gewünscht, wie einen Sprung z.G.. Es war die Gelegenheit, aber fangen wir von vorne an.

Schon die Anreise war ereignisreich. Volvo-Chrille sammelte mich in Pankow ein, um dann in Lichtenberg das Gepäck vom Meyer Thomas einzusammeln, der am nächsten Tag per Bahn nachkam. Kaum war der Volvo wieder gestartet, blinkt der Tacho wie eine Mengenlehreuhr. Schnell war klar, die Lima lädt nicht mehr richtig. Damit kommen wir nicht ins Elbi. Ein anderes Auto musste organisiert werden, es ging also zurück in den Norden Berlins. Wenigen Stunden später haben wir endlich die Stadtgrenze verlassen. Im tiefsten Schwarz treffen im Bahratal ein.

Umräumen

Unsere Boofe, nur 1 km entfernt, sollte schnell gefunden sein. Wir folgten unseren Navis, GPS ist unbestechlich. Oder eher stechlich und brennend, wie wir bei unserem Kampf durch Brombeeren, Brennnessel und Riesenfarn erfuhren. Zudem versuchten Insekten, angelockt durch unsere Stirnlampen, uns einerseits die Sicht zu nehmen und anderseits in unserem Verdauungstrakt zu gelangen. Verhungern werden wir hier nicht. Um uns nicht gegenseitig die Blöße zu geben, gaben wir uns immer Recht, dass das der wahre Weg ist. Der heilige Weg. Grotzen lagen herum und Löcher wollen unsere Sprunggelenke zermahlen, aber unser Glaube war stärker, Wir gründeten eine neue Religion, digitale Karten sind jetzt unsere Bibel und wir sind die Märtyrer.

indischer Naturtempel

Je größer die Qualen, desto leckerer das Essen... oder sinngemäß. Unsere Boofe war entsprechend einem indischen Tempel und die Schupfnudel eine französische Delikatesse. Das wir dabei von einen Steingeist beobachtet wurden, kratzte uns nicht. Wir genossen das laue Hier und Jetzt und ließen uns mit dem Duft von Bienenwachs sanft in Morpheus Arme gleiten.

von Geistern beobachtet

Der nächste Morgen stieß uns rau in die Realität zurück. Wir fanden den richtigen Weg, unsere Religion verbannten wir sofort aus der Geschichte. Wie dumm wir nur waren.

Wir steuern zielstrebig den Vierkant an, nun rächte sind unsere Blasphemie und es fing zu nieseln. Wir fanden Schutz im Habitat einer besonderen Gattung Mensch. Typisch für diese waren Markierungen, die mit weißer Farbe in den Stein massiert wurden. Einem Ritual folgend werden sie regelmäßig gesäubert, um danach wieder erneuert zu werden. Wahrscheinlich dienen diese Orte dem Abhängen und der Anbahnung gattungsspezifischer Kontakte. Erst verharrten wir noch, dann spülte weiterer Regen unsere Pläne fort.

Felszeichnungen

Voller Verzweiflung fuhren wir zum Kuckucksstein, mit der Hoffnung irgendetwas bei der Witterung zu stemmen. Der Weg war leicht, aber das Moos war nass. Trotz Gleitreibung besiegten wir Fels und Wetter. Wir fühlten uns wie Helden und wollten auch dementsprechend essen. Dank Chrilles kulinarischer Ortskenntnisse erfüllte sich dieser Wunsch beim gohrischer Bäcker. Dort werden derzeit Stollenbestellungen entgegengenommen, die Schatten des Weihnachtsmannes sind lang.

kulinarische Erfahrung

Den weiteren Tag füllten wir mit inspirierenden Treffen verschiedenster Personen, Nahrungsbeschaffung und dem Aufpicken von Thomas. Wir feierten das Zusammentreffen auf der Ponderosa-Ranch gemäß den ewigen Ritualen. Ich hatte eine vergleichende Jagertee-Verkostung geplant. Da jedoch der zweite Jagertee ein Schlupfloch in ein Paralleluniversum gefunden hatte, hatte das verbleibende Konzentrat einzigartige Eigenschaften.

Der nächste Morgen war freundlich, auf dem Plan stand die windgetrockneten Pfaffensteine. Speziell die südliche Pfaffenschluchtspitze und angrenzende Steinformationen.

Vor der direkten Konfrontation stand die Verwunderung über die Höhe der Tagespacht eines Stellplatzes von 9 ganzen €. Miethaie können also weit schwimmen. Erleichtert erreichen wir die malerisch schöne Schlucht, die eine gewisse Spiritualität ausstrahlt.

Während Chrille und Thomas den wahren Weg zum Gipfel suchen, freue ich mich schon darauf meine neue Superkraft einzusetzen. Der Kletterführer scheint nicht ganz die Wirklichkeit abzubilden, die Diskussion zieht sich etwas hin, dass ich mich einmischte, macht es nicht einfacher.

Aber wir einigen uns auf einen Aufstieg über die Rippe der Nordwand. Sieht für mich wie ein Bierbauch aus, egal. Thomas steigt bis zum ersten Absatz vor, ich folge. Erst Superkraft. Bierbauch durch die Kerbe gezwängt. Besuch der Hornisse. Dann Riss, wird schwieriger, noch schwieriger, gerade so geschafft. Chrille folgt und übernimmt den Vorstieg z.G.. Seine Performance steigerte meine Furcht vor diesen Abschnitt. Ich fasste mir ein Herz, welches schon in die Hose gerutscht war und erklomm den rissigen Rest rasant und ohne rauszufallen. Thomas folgt souverän.

Nordwand an der südlichen Pfaffenschluchtspitze IV Thomas baut sich was 

Freude. Fertig. Nein noch lange nicht, es folgt das Abseilen. Zur zweiten Öse, bis dahin nur ein Mythos. Chrille zuerst, es dauert… und dauert. Wir lernen inzwischen die zwei örtlichen Raben kennen. Eine gefühlte Ewigkeit später darf ich endlich folgen. Die zweite Öse weiterhin außerhalb unserer Wahrnehmung. Chrille dirigiert mich aus einem Spalt, der für mich nur eine Falle wäre. So lerne eine neue spektakuläre Superfähigkeit, das Horizontalklettern. Endlich wieder am Einstieg folgt uns Thomas, er hat die zweite Abseile gesehen, aber auch zu spät.

Unsere Moral war etwas ausgepresst und so war es angenehmer Zufall, dass Menschen die Schlucht zum Meditieren aufsuchten. Die Schwingungen der Meditation erreichte uns, wir versanken ungemessene Zeiten im Nichts.

Nirvana naht

Die Sehnsucht nach der Sonne trieb uns auf die Südseite um den Felsen zum Junggesellen und Wolfswand. Chrille und Tom wurden wieder vom Ehrgeiz gepackte, ich entkam diesem erfolgreich.

Auch hier entspringt wieder eine Diskussion um die richtige Wegwahl. Zur Auswahl stand der AW III und „Ohne Schund“ VI. Dummerweise sah der AW-Einstieg unangenehmer aus, sodass die Wahl auf „Ohne Schund“ und Chrille als Vorsteiger fiel,wegen der deutlich besseren Sicherungssituation, zumindest von unten betrachtet. Die Sicherung war angenehm, der Weg forderte aber an der Schlüsselstelle einen sehr interessanten 3D-Move über die Crux. Freundlicherweise übernahm Thomas ab dem Absatz das scharfe Ende und vollendete so die Besteigung auf den Junggesellen formvollendet. Nach kurzer Rücksprache mit Arne im Backoffice am Wandfuss seilten wir uns wieder zum Absatz ab und Thomas durfte den AW zur Wolfswand vollenden. Ein wirklich schöner Genussweg, eine Empfehlung von uns an dieser Stelle. Der Klettertag endete mit einem wunderbaren Ausblick auf den Königstein.

Ohne Schund VI zum Junggesellen Königsteinromantik 3D-Move

Zurück im Refugium besangen wir unsere Heldentaten und füllten unsere Leiber mit Linsen-Dal und Konzentrat.

Eine Drittel Erddrehung später verwöhnte uns Thomas mit besonders schlottrigem Rührei. Ein besonderer Genuss mit langer Nachschwingzeit. Dermaßen gestärkt machten wir uns auf ein Bahratal-retry und meiner besonderen Gelegenheit, mit einen 2er Sprung in der Welt des Vorstiegs zu landen. Alles war perfekt, der Abstand war optimal, die Landezone grün und weich. Vier Schritte und in einem neuen Leben landen. Ich nahm Anlauf und stoppte... Meine Seele spalte sich in Pro und Contra, so'n Mist. Ich versuchte es nochmal, wieder gestoppt, Scheiße. Ich sah in freundliche und verständnisvolle Gesichter, etwas Furchteinflößenderes wäre jetzt hilfreicher gewesen.

Thomas fasste sich ein Herz und sprang, sein erster Sprung überhaupt und dann gleich im Vorstieg. Glückwunsch. Ein paar Versuche später war ich drüben, Chrille folgte und wurde von einer Grille empfangen (ich schwöre es war wirklich so).

Weiter ging es zum Spitzbuben, den Thomas vorbildlich eroberte. Am Vierkant war Chrille dann wieder dran, eigentlich war der AW geplant, aber beim Blick auf den Mittelweg war die Route klar, der sah richtig lecker aus und war es dann auch. Am Gendarm übernahm wieder mal der Herr Meyer und im nu war das Bahratal in dieser Ecke abgeräumt. Damit der arme Thomas nicht noch einmal hier her muss, flogen wir erneut zum Kuckuckstein und schnippten den über den Südostweg III (Thomas) und über die Südostwand III (Chrille v.o.g.). Meine Energie war längst wie Flasche leer, so war meine Anwesenheit rein geistiger Natur.

Spitzbube AW IV Vierkant Mittelweg VI

Abschließend gönnten wir uns noch einen Snack, dann rollten wir wie Karthäuser heim nach Berlin.

Snacken for Jecken

Ein wunderbares Wochenende, nächstes Mal mit Vorstieg. Wirklich!!!

Arne (und ein bischen der Chrille) vom 22. bis 24.09.

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