Garstige Gesellen (7./8.9.2024)
Das letzte heiße Sommerwochenende stand an, es war wochenlang trocken und Tom und ich hatten Lust auf Klettern. Was lag also näher, als ins Elbi zu reisen. Sinnvoll war es natürlich, mal ein paar Brocken abzuhaken, die sonst immer feucht waren und nur im absolut trockenen Zustand beklettert werden konnten. Da fiel mir als erstes die Wolfsnadel ein, an der es vor zwei Jahren nicht weitergegangen war, weil es ab Ring einfach zu glitschig und gefährlich gewesen war, weiterzusteigen. Außerdem konnte sich Tom gleich mal den Wolfsturm anschauen, den er ja noch in seiner Gipfelsammlung brauchte. Wegen akutem Parkplatzmangel und bedrohlicher Hitze stiegen wir schon gegen halb neun zu den Affensteinen hinauf. Der Wolfsturm ragte noch immer monolithisch über dem Talgrund auf und zauberte Tom ein paar Schweißperlen auf die Stirn. Gut, dass ich da nicht mehr hoch musste!
Da der AW im Schatten lag und ich den sonnigen Südostriss ja schon beim letzten Mal bis zum AW-Ring gestiegen war, ließ ich mich bequatschen und turnte die unangenehm ungesicherte Reibung bis zum weit entfernten Ring hinauf. Das war nicht unbedingt schwer, aber schöne Kletterei ist auch was anderes. Wenn ich glaubte, der Käse wäre dann gegessen, dann hatte ich mich getäuscht. Ein hohes Antreten auf kleinen Reibungstritten und noch dreimal beherztes Zupacken waren vonnöten, um diesen garstigen Gesellen zu erklimmen. Tom fand die Route erwartungsgemäß schön. Er steht halt auf Steilreibung, Moos und grüne Rinnen. Ein wenig haderte er mit sich und seiner Entscheidung, den Wolfsturm doch nicht sofort zu besteigen, sondern auf geeignetes Schwebepersonal zu warten. Allerdings empfand ich dies als überaus lebensbejahend und vernünftig, auch wenn sowas im ersten Moment manchmal wehtut.
Leider war der weitere Direktaufstieg zu den nächsten Türmen durch ein wüstes Fichtenmikado versperrt. Somit durften wir mit den fetten Rucksäcken auf dem Buckel die gefühlten tausend Stufen zur Affensteinpromenade hoch asten. Wenigstens lagen sie etwas im Schatten. Dann standen wir vor meiner Sehnsuchtsroute – dem Felsensportweg an der Wolfsspitze, die mir irgendwie höher und garstiger erschien als beim letzten Besuch. Aber egal. Ich hängte mir alles, was der Rucksack hergab um den Hals und stieg im Weihnachtsbaumstil in die Route ein. Die Kletterei ging gut und machte mir große Freude. Wand, Knieklemmer, Handriss, Faustriss, in den Hundebahnhof kriechen und die Dauerschlinge mit dem dort hinterlegten Stöckchen einhängen, nochmal Faustriss, Henkel und Ring klinken. Dann musste ich erstmal durchschnaufen. Die Hangel glänzte einladend in der Sommersonne und versprach einiges an Nervenkitzel. Die Kletterei war super. Trittlos hangelte ich mich an guten Griffen dem Gipfel entgegen, wobei ich es noch schaffte, drei oder vier Sicherungen im Riss zu versenken. Das war sehr hilfreich, denn die Ausstiegssteilhangel forderte einem nochmal alles ab. Tritte gab es nämlich immer noch nicht. Man musste den linken Fuß in den vertikalen Riss stellen, den rechten auf Reibung und dann dreimal kräftig durchziehen. Es war ein schönes Gefühl, wieder dort oben zu stehen. Eine Route zum Einrahmen!
Tom kam nach und fluchte ganz ordentlich. Da unsere Kletterpräferenzen komplett konträr zueinander stehen, machte es ihm viel weniger Spaß als mir. Im Hundebahnhof holte er sich sogar eine Gesichtsblessur beim Kontakt mit dem Einhängestock. Mit Tampons in der Nase musste er in die Hangel, in der er nochmal alles geben musste. Dementsprechend fiel seine Begeisterung über den Turm etwas gedämpfter aus als meine.
Zur Entspannung latschten wir die Wolfsfalle von hinten an. Ohne großen Anlauf hüpfte Tom ohne Ankündigung mal eben in Bergstiefeln den Zweiersprung hinüber und ich stand etwas bedröppelt auf dem Massiv, ohne zu wissen, wie es weitergehen sollte. Naja, Kamin abklettern, Kamin auf der anderen Seite wieder hoch und fertig war das Gipfelglück.
Nun stand der Backzahn auf dem Programm, der laut teufelsturm.de eher selten besucht wurde. Eine etwas wilde Querung führte zu einem Schubberkamin und zum vierten Gipfel des Tages.
Da wir so langsam auch platt waren, freuten wir uns auf den Dreier-Übergang auf den Affenstein, der sich dann als Einser-Übertritt entpuppte. Jetzt aber ab in die Tiefe und ran an die Grillwürste und das Weizenbier! Abseile geklinkt, runtergeseilt und …. Da war nichts! Ratlos stand Tom in der steilen Scharte und suchte vergebens nach der zweiten Öse. Nach etwas hin und her machte er sich an einer windigen Sanduhr fest. Nach einigem Herumsuchen fand ich dann des Rätsels Lösung: Es gab eine zweite Öse auf dem Gipfel, was uns noch einiges mehr an Aufwand bescherte, als wir uns vorgestellt hatten. Noch so ein garstiges Ding! Wer den Kletterführer vorher ausführlich liest, ist klar im Vorteil! Fix und alle kamen wir zurück nach Lohmen und stopften uns die Bäuche mit gutem Essen und Gerstensaft voll.
Am Sonntag hatten wir wieder mal gute Vorsätze zum Plaisierklettern und fuhren ins Wildensteiner Gebiet. Als erstes erklommen wir den, liebevoll als „Komposthaufen“ titulierten Ochsenkopf über die Route „Nasenring“, die sich als etwas artistisch, aber sehr angenehm erwies. Fein, fein.
Durch Horden von Ausflüglern bahnten wir uns den Weg zur Wildensteinwand und dem benachbarten Blasketurm, dessen Anblick uns bewog, vom AW Abstand zu nehmen und lieber den Übergangsweg zu wählen. Mittlerweile ziemlich genervt vom allgemeinen Trubel wurschtelten wir uns also den „Leichten Weg“ an der Wildensteinwand hinauf. Ein ganz netter Kamin zum Warmwerden führte uns aufs Plateau, von wo wir den Übertritt in Angriff nehmen wollten. Das Seil kam zwar von oben, aber die Kletterei, um zum quasi Berührungspunkt der beiden Gipfel zu gelangen, war äußerst unangenehm und unübersichtlich, während der Übertritt selber kein großes Problem darstellte. Dummerweise verwandelte die Sicherungssituation den Nachsteiger in den Vorsteiger, was Tom durch eine Abziehschlinge löste, damit er (unter lautem Fluchen) hinüber auf diesen (wieder einmal) garstigen Gipfel kam.
Jetzt war die Luft endgültig raus. Die Zyklopenmauer verschoben wir auf einen anderen Tag und gingen stattdessen zur Kuhstallscheibe rüber. Die Feierabendkante (welch prophetischer Name), als letzte Route des Wochenendes sollte den Reigen beschließen. Mit dicken Fragezeichen über den Köpfen, wie der Direkteinstieg für VI gehen sollte, wählten wir die klassische Variante, beginnend mit einer entspannten Spreize zum Ring hinauf. Ab da wurde es dann zunehmend sandiger und unangenehmer. Viel zu legen gab es nicht mehr, sodass ich mit einfach mal losmachen und etwas moralischer Kletterei schließlich den schmalen Gipfel erreichte. So ganz entspannend war das auch nicht gewesen!
Somit hatten wir ein erfolgreiches Wochenende hinter uns. Tom hatte acht neue Gipfel, ich hatte sechs bislang nachgestiegene vorgestiegen und drei neue dazu, was summa summarum runde vierhundert auf meinem Konto ergab. Nach zweistündigem Stau kamen wir dann wieder im Zentrum des Irrsinns an und freuten uns schon auf den nächsten Besuch im Elbsandsteingebirge.
Frank T. aus B.