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Auf Weinreise in SachsenDer Wein zur Reise

Eigentlich wollten Holger und ich schon am Wochenende um den 20.07. mal wieder zusammen das Gebirge unsicher machen, aber das Wetter, was soll ich sagen. Glücklicherweise waren unsere Frauen mit der Verschiebung auf das darauffolgende Wochenende einverstanden und so stand dem Kletterspaß nichts mehr im Wege, außer vielleicht der Tatsache, dass es nun 30°C+ werden sollte. Wir sind aber auch nie zufrieden.

Wie so oft wurde als Abreisetag der Donnerstag ins Auge gefasst. Nach einem ganz normal wahnsinnigen Arbeitstag fand ich mich mit bester Laune gegen 19:00 Uhr in Karlshorst ein, um den freundlichen Mitreisenden vom Straßengraben einzusammeln. Nach ereignisloser Fahre konnten wir so den lauen späten Abend auf der Terrasse mit geistreichen Getränken noch ein wenig genießen, bevor wir ins Bett gingen.

Da der Wetterbericht tropische Temperaturen vorhersagte, wollten wir früh los. Die Entscheidung fiel auf den Brand, da wir uns im eher bewaldeten Gebiet etwas Schatten erhofft hatten und unsere beide Kletterführer dort noch nicht ausgemalt waren. Prinzipiell ne gute Idee, wenn wir nicht die südlich vorgelagerten Gipfel ausgesucht hätten. Vom Parkplatz am Altersheim ging es zielstrebig zum Schluchtturm, an dem wir uns schnell den AW II eingesammelt hatten. War ja auch perfekt geplant (O-Ton von TT: „Es gibt eigentlich nur zwei Zustände: geht nicht (99,9 % des Jahres wegen Durchfeuchtung) oder geht (0,1 % mit Restfeuchte)“. Wir haben alles richtig gemacht.

Der nächste Gipfel sollte die gespaltene Zinne werden. Holger hatte das Abstiegsgespenst IV, den Bergweg vom Giesbert aus dem Jahr 88, für uns auserkoren. Der Weg hielt, was sein Name versprach, nach erreichen des Vorgipfels hat mich Holger hochgebaut. Ich bin froh, das sein Kopf mein Gewicht ausgehalten hat, so konnten wir uns nicht nur in das Gipfelbuch von 1984 eintragen, sondern zudem die 6. Begehung (in 36 Jahren) dieses Kleinodes der sächsischen Kletterwege in unseren Tourenbüchern sichern.

Die Sonne brannte unerbittlich und unsere Wasservorräte gingen langsam zur Neige. 1,5l pro Person ist dann doch etwas dünn geplant gewesen. Gleich daneben steht das Archipel. Wenn gerade ein Giesbert dran war, dann ist es nur sinnvoll mit Bernd weiterzumachen. Die Literaturrecherche verwies auf den AW IV, einen Bergweg, den er 1960 (mit 13 Jahren) erstbegangen hatte. Im Klefü steht nur Bernd allein drin, hat der den Weg in Selbstsicherung gemacht? Wie auch immer, es geht vom Massiv aus über mehrere Vorgipfel auf den Turm hoch. Spannend ist es den Zustieg erst einmal zu finden, das war nicht trivial. Freundlicherweise gibt es am Einstieg zum Weg einen uralten Sicherungsring, der das Seilmanagement deutlich vereinfacht. Die Sonne dörrte uns immer mehr aus und so waren wir froh, als wir oben (oder besser unten) waren und die Gipfelbuchkassette öffneten. Das Buch war von 1984 und der von uns gewählte Weg scheint nicht so in Mode zu sein. Wir sammelten die 38. Begehung in 64 Jahren ein. Kann man mal machen.

Zurück in der Hochscharte, wo unsere Rucksäcke lagen, war schnell klar, dass wir ohne Wasser nicht weiter machen sollten. Mit Hinblick auf die von uns gewünschte Performance in den nächsten Tagen brachen wir hier ab, wählten die Affensteine für den folgenden Tag ab und trollten uns nach Gohrisch. Nach dem ersten kulinarischen Highlight gingen wir dann zur Weinverkostung über.

Bärbel und Ralph hatten mich bei der Hinfahrt angerufen und wollten auch mal wieder Fels berühren und so trafen wir uns mit den beiden am altbewährten Parkplatz, um weiter im Brand aufzuräumen.

Erster halt war die Aussicht an der Brandbaude, um mal die Lage zu checken und den etwas versteckten Zeigefinger zu finden. Eigentlich dachten wir uns, dass es einen Weg vom oberen Massiv zu diesem gibt, was sich aber als Fakenews entpuppte. Folgerichtig sind wir dann die Brandstufen etwas abgestiegen und haben uns erst einmal an der Hexe im AW III vergnügt. Netter kleiner Weg, der nicht so schlimm war, wie es auf den ersten Blick aussah.

Auf der kleinen Brandscheibe Kleine Barbarine NW-Kante VIIa Viermännerturm

Da mir noch die kleine Brandscheibe fehlte, sind Bärbel, Ralph und ich schnell rüber und haben uns die über den AW IV geschnappt, während Holger eine kleine Siesta eingelegt hat.

Nun war der Zeigefinger dran. Das „Massiv“ war eher eine Hochscharte mit kleinem Grat, über den der AW III zum Gipfel führte. Schöner Barfußgipfel, den sich Holger im Vorstieg souverän geschnappt hatte, alle folgten ihm.

Nun sollte das Highlight des Tages folgen, die kleine Barbarine. Holger, in seiner ruhigen Art, zeigte auf die NW-Kante, eine VIIa* mit Ring und meinte, der wäre genau das richtige für mich. Als chronischer Schisser war ich mir da nicht so sicher, wollte es aber letztendlich doch mal versuchen. Kann ja nicht schaden, also rein in das Zeug und mal losgemacht. Der Weg zum Ring lief gut und ich fühlte mich zunehmend wohler im Geläuf. Wie zu erwarten war die erste Schwierigkeit am Ring, die ich aber problemlos meisterte. Die zweite Schwierigkeit folgte kurz darauf, ich kam nicht richtig weiter und Sicherungen wollten sich mir zu diesem Zeitpunkt auch nicht zeigen. Ich bin also recht unwürdig auf einen kleinen Absatz gewurmt, nur um später feststellen zu müssen, dass ich die Sanduhr übersehen habe, die nicht nur eine ringwertige Sicherung gewesen wäre, sondern auch ein wunderbarer Griff, um über diese zweite Schwierigkeit zu kommen, dämlich eben. Am Ende gelangte ich oben an, war stolz wie Bolle und der Rest der Crew folgte flinken Fußes.

Nun sollte der Viermännerturm folgen. Von der Scharte aus versuchten wir auf alle möglichen Weisen den AW VI einzusteigen. Was für ein Scheißweg, die 1. Variante für V sah noch blöder aus. Wir haben letztendlich abgebrochen. Frust machte sich breit. Holger sagte so schön: Heiko und Otto waren doch auch hier, was haben die bloß gemacht? Die Antwort findet sich im unteren Teil dieses Berichtes: zum alten Bericht von Ingo

Zum Kletternachtisch wurde dann noch die Ahornspitze mit ihrem AW III gereicht. Klassisch sächsisch mit Einstiegsriß, Stemmkaminquerung, kleinem Übertritt und Heidekrautrinne im Ausstieg, einfach wunderbar. Gegen solche Wege erscheint alles beim Sportklettern doch langweilig, zumal man sich um Sicherungen kaum bemühen musste.

Fast gegroundet

Über die Briefträgerstiege gelangten wir zum Auto. Ralph und Bärbel ließen den Abend mit feinster Aussicht in ihrer Blechboofe ausklingen, Holger und ich gingen nach Gohrisch, um uns für den hohen Besuch vorzubereiten, der sich angesagt hatte, der Don und seine Gespielin wollten doch einmal die Nachbarn besuchen und hatten sich angesagt. Unglücklicherweise kamen die beiden etwas zu früh, wir waren schon fast ausgezogen und wollten den Schweiß des Tages unter dem Sprengerschlauch dem Rasen opfern. Es sollte trotzdem eine rauschende Ballnacht werden. Holger war der perfekte Gastgeber und versorgte uns nicht nur mit feinstem Essen, sondern auch mit einer exquisit vorbereiteten und ausgeführten Weinreise. Danke für diese Erfahrung. Heikos selbstgebauter Gin mit eingelegten und natürlich selbstgejagten Walderdbeeren rundete das Erlebnis perfekt ab. Mittendrin konnten wir noch einen Heißluftballon erleben, der um Haaresbreite in Gohrisch notgelandet wäre, wenn der Pilot nicht im letzten Moment an Höhe gewonnen hätte. Spannend, besser nicht mit denen auf die Reise gehen. Einige Gespräche später wanken wir ein wenig beschwipst ins Bett.

Guten Morgen

Oh, der Sontag, im Hirn leicht benebelt startete der Tag, ohne dass wir Appetit hatten, komisch. Irgendwie ergab sich kein zusammenhängendes Gipfelgebiet, sodass wir schnell beschlossen haben Lücken zu schließen. Zu 10:30 haben wir uns in Waitzdorf mit Bärbel und Ralph getroffen, die beiden haben zwischenzeitlich noch schnell was weggeklettert. Die erste Lücke dieses Tages heißt Schinderkopf. Der AW IV sieht von oben etwas garstig aus, lässt sich aber ganz gut klettern. Zur Sicherheit mit Schwebe, wir wollten nichts riskieren. Einstiegsriß, hochgespreizt oder gestemmt, rüber zum Gipfel und die Wandstufen hoch, dass übliche eben.

Kehllochscheibe

Es sollte der Loriturm folgen, am Parkplatz in Porschdorf kam Holger die Sache dann merkwürdig vor und wir realisierten, dass der nur deshalb so nah aussah, weil der Kartenschnitt einen Teil des Zustiegs verschwieg. Jetzt 45 min zum Einstieg bergauf laufen wollte keiner und so sind wir zur Kehllochscheibe gefahren. Auch den haben wir mit Schwebe über den AW V gesammelt, um danach mit einer zünftigen Seilbahn zurück zum Massiv zu kommen.

Auf dem Ziegenrückenturm

Kurze Besprechung und ab zum Ziegenrückenturm. Der liegt bekanntermaßen etwas ab von jedem Schuss, also genau das richtige zum Abschluss des Wochenendes. Der Parkplatz war klar, der Zustieg auch (fast). Zum Glück hatte Holger mal einen Pfeil auf die Leitplanke gekratzt, der den Zustiegspfad ausschildert. Der ist nun noch etwas deutlicher hervorgehoben worden, sodass eventuellen Nachfolgern das Finden erleichtert sein sollte. Ich bekam Beklemmungen, als ich von oben auf dieses Monster geblickt hatte. Da Holger den schon mal abgesammelt hatte, musste ich ran, also abgeseilt und den Einstieg in den AW V mal aus der Nähe beäugt. Die paar Meter zum Absatz hoch sahen nicht so wild aus, aber die 15 m Querung? Ok, das Seil kam von oben, aber die Scharte ist gut 4 m breit und die potenzielle Einschlagswand scharfkantig. Der Ausstieg an der Westkante ist dann nicht allzu schwer, aber die Sicherungssituation wird mit jedem Höhenmeter schlechter. Ich muss das jetzt machen, kann mal versuchen, ob der Einstieg geht. Gesagt getan und kurze Zeit später stehe ich am Anfang des Querbandes. Mit ausgestreckten Händen komme ich an ein weiteres Band mit recht ordentlichen Griffen und schleiche mich so langsam rüber. Ralph steht unten am Abzug, Holger oben an der Schwebe. Die Kante ist bald erreicht und der Ausstieg beginnt.  Kurz danach endet auch das von unten kommende Seil und ich tänzele bei mäßiger Sicherung langsam hoch. Im Falle eines Sturzes würde ich wohl (wahrscheinlich) nicht aufklatschen, aber schön ist anders. Der Vorstieg gelingt, Bärbel, deutlich durch geringere Körpergröße gehandicapt, und Ralph folgen. Was für ein Vorstieg, was für ein Wochenende.

Ziegenrückenturm AW V

Zurück am Parkplatz gibt es erst einmal gut gekühlte Getränke, bevor sich unsere kleine Gruppe auflöst und jeder seiner Wege geht.

Über mein Körpergefühl am Montag möchte ich nicht sprechen

Holger, Bärbel. Ralph und ich vom 18. bis 21.07.2024

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